Wenn Anlagenbetreiber eine Nachhaltigkeitszertifizierung für ihre Biogasanlage erhalten, müssen sie auch eine Treibhausgasbilanzierung durchführen. Vorgeschrieben ist diese zwar noch nicht für alle Biogasanlagen, wenn aus dem gewonnenen Biogas zunächst Biomethan und dann ein Bio-Kraftstoff entstehen soll allerdings schon. Patrick Behrend, Berater und Experte für Treibhausgasbilanzierungen, kennt sich bestens mit der Thematik aus und verrät, was genau hinter einer Treibhausgasbilanzierung steckt.
Herr Behrend, Sie sind gelernter Chemiker. Wie kommen Sie zur Treibhausgasbilanzierung?
Behrend: Während meiner Chemiker-Zeit habe ich mit verschiedenen Formeln hantiert, hier standen die Moleküle im Vordergrund. Das hat mir Spaß gemacht, gleichzeitig habe ich mich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Daraus sind nun ebenfalls Formeln geworden – aber mit einem ganz anderen Inhalt.
Eine THG-Bilanzierung betrachtet jeden Schritt der Biogas- beziehungsweise Biomethan-Produktionskette. Es werden die Emissionen der einzelnen Teilschritte für die komplette Produktion berechnet. Am Ende steht dann eine Formel mit verschiedenen Teilwerten von allen Schnittstellen. Das Ergebnis dieser Formel ist die Masse an Treibhausgasen, die durch die Produktion in die Umwelt gelangen – und das wollen wir möglichst klein halten.
Es wird also mehr bilanziert als nur die Anlage?
Behrend: Richtig. Eine THG-Bilanzierung setzt sich mit der gesamten Produktionskette von Biogas und Biomethan auseinander. Daher betrachten wir nicht nur die Biogasanlage genau. Vom Düngemittel, über das Saatgut bis zu den eingesetzten Betriebsmitteln und letztendlich auch der Inverkehrbringer fließt jede Schnittstelle der gesamten Wertschöpfung in die Bilanzierung ein. Das ist komplex, vor allem, weil viele unterschiedliche Personen und Stellen daran beteiligt sind.
Bringt so jede Schnittstelle ihr CO2-Päckchen mit einem Teilwert mit in die Formel ein?
Behrend: Ja, so ist das. Das CO2-Päckchen muss aber nicht immer nur Last hinzufügen, es kann das Ergebnis auch verringern. Im Gegensatz zu Mais als Substrat für die Biogasanlage sind zum Beispiel Gülle oder Mist ein Reststoff der Landwirtschaft und gehen als solche mit negativen Teilwerten in die Formel ein. Das liegt zum Beispiel daran, dass so die offene Lagerung von Gülle und Mist vermieden wird.
Man kann sich die Teilwerte als Rucksäcke vorstellen. Es gibt Schnittstellen, die nur eine kleine Tragetasche in die Rechnung mitbringen, andere jedoch einen großen Wanderrucksack und wieder andere kommen mit leeren Händen und können daher die Last der anderen mittragen. Und genau das wollen wir auch: Je kleiner das Ergebnis der Berechnung ist, desto besser für den Anlagenbetreibenden.
Gibt es dann wie bei Rucksäcken auch Standardgrößen?
Behrend: Bei einigen Dingen, ja, andere wiederum müssen ganz individuell für die Anlagen berechnet werden – für mich ein großer Spaß. Dafür bin ich bei den Anlagen auch vor Ort und eben nicht nur vor ewigen Exceltabellen. Ich spreche mit den Anlagenbetreibern, hole mir die benötigten Werte und kann so nachher eine individuelle Bilanzierung vornehmen.
Inwiefern hat der Betreibende dadurch Vorteile?
Behrend: Für Anlagen, die ihr Biogas auf Erdgasqualität aufbereiten und das so erlangte Biomethan als Bio-Kraftstoff verkaufen, kann die Bilanzierung monetäre Vorteile haben. Bei Strom und Wärme ist das noch nicht der Fall, allerdings fällt die Bilanzierung auch hier meist positiver aus, wenn wir die Anlagen individuell betrachten.
Ist die THG-Bilanzierung für alle verpflichtend?
Behrend: Nein. Aktuell ist sie vor allem für die Betreibenden verpflichtend, die Biomethan für den Kraftstoffsektor ins Erdgasnetz einspeisen. Wird Biogas zur Strom-, und Wärmeproduktion genutzt, hängt die Nachweispflicht von der Anlagengröße, sowie dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage ab. Dazu ist aber auch zu sagen, dass es die Pflicht zur THG-Bilanzierung noch nicht so lange gibt. Zukünftig werden voraussichtlich mehr Anlagen von ihr betroffen sein. Das ganze Feld ist noch jung und daher ständig im Wandel.
Wo genau in der THG-Bilanzierung können wir unterstützen?
Behrend: Wir unterstützen die Betreibenden bei der gesamten Bilanzierung und leiten Sie durch den Bürokratie-Dschungel, den eine Nachhaltigkeitszertifizierung, zum Beispiel nach SURE und REDcert, mit sich bringt. Die Treibhausgasbilanzierung von Biogas- oder Biomethananlagen ist hier ein Teil der Nachhaltigkeitszertifizierung, wo wir als Ganzes unterstützen können. Das beinhaltet bei uns den Besuch vor Ort und die Kommunikation mit anderen Schnittstellen, wie der Zertifizierungsstelle. Wir sitzen dann nicht nur im Kämmerchen vor der Formel und geben den Betreibenden das Ergebnis kommentarlos mit. Im Prozess gucken wir, wo sich jede Anlage verbessern kann, und geben den Betreibenden mögliche Drehschrauben für eine bessere THG-Bilanzierung mit an die Hand. Zusammen mit unseren Berater:innen im Außendienst sind wir darauf spezialisiert, den gesamten Biogasproduktionsprozess in einer Anlage zu begleiten und zu optimieren. Wir sind dabei: Vom Feld, über die Silierung, hin zur Produktion und Fermenterbiologie. Am Ende unterstützen wir auch bei der Vermarktung und können das Biogas bilanzieren.
Was können wir in Zukunft im Feld der THG-Bilanzierung noch erwarten?
Behrend: Die europäische Kommission hat eine Erneuerung der RED II (die sogenannte RED III) verabschiedet, welche bald in nationales Recht umgesetzt werden muss. Nach den aktuellen Entwürfen sieht es so aus, als wenn damit künftig mehr Anlagen in die Bilanzierungspflicht fallen. Zudem stehen viele Biogasanlagen vor dem Eintritt in die Post-EEG-Zeit. Je nach Plan und Weiterentwicklung, kann eine THG-Bilanzierung dort ebenfalls nötig sein. Man sollte sich also auch vor dem Ablauf der EEG-Finanzierung mit dem Thema beschäftigen. Hier werden praxisnahe Lösungen und Unterstützung im Prozess gefragt sein.